Im Kölner Stadtteil Altstadt-Süd wurden drei Stolpersteine mit dem Kürzel „NSU“ beschmiert. Die Stolpersteine erinnern an die Eheleute David und Carola Hirsch sowie deren Tochter Karola-Ruth Hirsch, die am 20. Juli 1942 zunächst ins Ghetto Minsk deportiert und anschließend im Vernichtungslager Maly Trostinez ermordet wurden.
Vorsätzliche Schmierereien an bzw. Beschädigungen von Stolpersteinen jüdischer NS-Opfer stellen per se immer einen antisemitischen Vorfall dar, da auf diese Weise versucht wird, das Erinnern an im Nationalsozialismus verfolgte Jüdinnen*Juden zu negieren und zu behindern. Das in dem hier geschilderten Fall verwendete Kürzel „NSU“ verschärft die aggressive Aussage dieser Schmiererei noch durch das Bekenntnis der Täter*innen zur neo-nazistischen Terrororganisation „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU). Bis zu seiner Selbstenttarnung im Jahr 2011 ermordete der NSU neun Menschen aus rassistischen Motiven. In Köln verübte der NSU zwei der insgesamt drei Sprengstoffanschläge: 2001 in der Probsteigasse und 2004 in der Keupstraße; insgesamt wurden bei den Anschlägen über zwanzig Menschen z.T. schwer verletzt. Der schriftliche Bezug zu diesen abscheulichen, menschenverachtenden Gewalttaten auf den beschmierten Stolpersteinen stellt entsprechend eine massive Bedrohung nicht nur jüdischer Passant*innen dar.
Betroffen macht zudem die Tatsache, dass die beschmierten Stolpersteine erst am 27. September verlegt worden waren. Der Vorfall wurde der Kölner Stadtverwaltung am 30. Oktober über die kommunale Website https://sags-uns.stadt-koeln.de/ gemeldet, die Bürger*innen als Plattform dient, die Stadt über alle möglichen „Probleme“ im Kölner Stadtbild zu informieren. Zwischen der Verlegung der Stolpersteine und deren Beschmierung lag also nur ein Monat.
Die Verlegung der drei Stolpersteine in den Boden der Straße „Am Trutzenberg 46“ geschah auf Initiative des jüdischen Karnevalsvereins „Kölsche Kippa Köpp e.V. vun 2017“. Wie Vereinspräsident Aaron Knappstein betont, ist es den „Kippa Köpp“ seit ihrer Gründung ein besonderes Anliegen, an die Tradition des früheren jüdischen Karnevalsvereins „Kleiner Kölner Klub“ anzuknüpfen und dabei auch an das Wirken jüdischer Karnevalisten vor der Schoa zu erinnern. Aus diesem Grund hatte sich der Verein dafür engagiert, dem im „Kleinen Kölner Klub“ aktiven jüdischen Karnevalisten David Hirsch sowie seiner Familie die Stolpersteine zu stiften.
Am 12.11.21 weihten Mitglieder der „Kippa Köpp“ gemeinsam mit Nachfahr*innen des ehemaligen jüdischen Karnevalsvereins in direkter Nähe der Stolpersteine den „Kleinen Kölner Klub Weg“ ein. Die Gruppe ging anschließend zusammen zu den Stolpersteinen von David Hirsch und seiner Familie, da einige der Gäste mit der Familie von David Hirsch verwandt waren. Zu diesem Zeitpunkt hatte zwar weder der Karnevalsverein noch die Meldestelle von der Beschädigung der Steine Kenntnis erhalten, die Schmierereien waren aber erfreulicherweise bereits zuvor wieder gereinigt worden. Aaron Knappstein bemerkt dazu:
„Auf der einen Seite ist es ein großes Glück, dass zu diesem Zeitpunkt die Schmierereien auf den Steinen bereits entfernt waren, denn es wäre sicher ein großer Schock für die Gäste gewesen. Auf der anderen Seite hätte es gezeigt, wie wichtig unser Einsatz ist in jeder Form gegen Antisemitismus zu kämpfen.“
Derartige Schmierereien und Beschädigungen an Stolpersteinen sind leider keine Seltenheit – auch nicht in Köln, wo das Stolpersteinprojekt des Künstlers Gunter Demnig im Jahr 1992 seinen Anfang nahm. Die hier geschilderte Tat ist eine von mittlerweile drei Stolpersteinbeschädigungen in der Kölner Innenstadt, die die Kölner Meldestelle seit ihrem Gang an die Öffentlichkeit im März 2021 dokumentiert hat. So meldeten am 30. April Passant*innen auf der Ehrenstraße, dass die dort liegenden Stolpersteine mit den Buchstaben „BDS“ beschmiert worden waren – dem Kürzel für die internationale und in weiten Teilen antisemitische Israel-Boykottbewegung. Am 7. September wurde der Meldestelle bekannt, dass zwei Stolpersteine an der Mittelstraße 30 mit Eiern beworfen worden waren. In beiden Fällen, ebenso wie im Fall der die Terrororganisation NSU verherrlichenden Schmiererei, wurde Strafantrag bei der Polizei gestellt.
Es ist wahrscheinlich, dass weitere Beschädigungen von Stolpersteinen in Köln geschehen sind, die jedoch rasch beseitigt und weder der Meldestelle noch der Polizei gemeldet wurden. Es ist durchaus nachvollziehbar, dass Passant*innen, nachdem sie auf einen beschmierten Stolperstein aufmerksam geworden sind, diesen möglichst schnell selbst reinigen möchten. Tatsächlich kann die propagandistische Wirkung z.B. von Hakenkreuzen oder anderen verfassungsfeindlichen Symbolen durch eine zügige Entfernung stark eingeschränkt werden. Folgende Punkte sollten jedoch unbedingt beachtet werden:
• Beschädigungen fotografieren und melden: Vor der Entfernung müssen Schmierereien und Beschädigungen an Stolpersteinen unbedingt fotografisch dokumentiert werden! Dies ist sowohl für Meldestellen als auch für polizeiliche Ermittlungen von großer Bedeutung.
• Auf korrekte Reinigung achten: Die aus Messing bestehende Oberfläche der Stolpersteine sollte nur mit speziell für Messingoberflächen geeignetem Putzmittel gereinigt werden. Eine detaillierte Anleitung zur Reinigung von Stolpersteinen findet sich hier.
• Möglichst schnell Anzeige bei der Polizei erstatten (lassen): Da Schmierereien und Beschädigungen an Stolpersteinen häufig dann ausgeführt werden, wenn sich gerade keine anderen Passant*innen vor Ort befinden, stellen Videoaufnahmen durch Überwachungskameras eine wichtige Quelle für polizeiliche Ermittlungen dar. Wegen der geringen Speicherdauer von Videoaufnahmen (meist nicht mehr als 48 Stunden!) ist es wichtig, schnell zu handeln, um größtmögliche Aufklärungschancen zu gewährleisten.
• Unterstützung in Anspruch nehmen: Für das Kölner Stadtgebiet übernimmt die Meldestelle für antisemitische Vorfälle auf Wunsch der Meldenden gerne die Anzeigenerstattung und die Kommunikation mit der Polizei. Sobald ein Foto der Beschädigung oder Schmiererei vorliegt, bemüht sich die Meldestelle in Absprache mit Polizei und Stadtverwaltung um eine möglichst rasche Entfernung der Schmiererei.
Schmierereien an und Beschädigungen von Stolpersteinen stellen vor dem Hintergrund der Schoa eine besonders perfide Erscheinungsform von Antisemitismus dar. Darüber hinaus äußert sich dieser jedoch in unzähligen weiteren Ausdrucks- und Erscheinungsformen. Keine davon darf unwidersprochen hingenommen werden!
Unterstützen Sie uns im Kampf gegen Antisemitismus und melden Sie antisemitische Vorfälle über das zentrale Meldeformular auf www.report-antisemitism.de
Köln, 10.01.2022 Fachstelle [m²] / Meldestelle für antisemitische Vorfälle