In diesem Artikel werden zunächst die Ereignisse rund um die zwei antisemitischen Angriffe auf das Friedhofsgebäude der Synagogen Gemeinde Köln im vergangenen Jahr rekonstruiert. Daraufhin wird ein Einblick in den Verlauf des Gerichtsprozesses gegeben, an dem die Kölner Meldestelle teilnehmen konnte und der am 20. Januar 2023 mit einem Urteilsspruch endete.

1. Der Brandanschlag vom 11. Mai 2022

Am frühen Abend des 11. Mai 2022 verübte ein Mann einen Brandanschlag auf das Friedhofsgebäude der Synagogen-Gemeinde Köln in Bocklemünd. Ein sogenannter Molotow-Cocktail wurde dabei knapp neben die Eingangstür des Gebäudes, an die Außenmauer des Waschsaales, geworfen. Der Brand hinterließ deutliche Spuren an der Fassade. Ein größerer Sachschaden konnte jedoch verhindert werden, da ein Anwohner das Feuer prompt löschte und die Polizei verständigte. Der Täter wurde als etwa 1,90 m großer Mann beschrieben. Laut Zeugenaussagen hatte er – nachdem er den Brandsatz gegen das Gebäude geworfen hatte – noch dezidiert antisemitische und anti-amerikanische Parolen von sich gegeben, ehe er schließlich die Flucht ergriff. Eine Ermittlungskommission des polizeilichen Staatsschutzes, der für politisch-motivierte Kriminalität zuständig ist, übernahm die Ermittlungen. Die Polizei veröffentlichte auf Grundlage der Täterbeschreibung durch den Anwohner ein Phantombild zur öffentlichen Fahndung, was jedoch zu keinem weiteren Ermittlungserfolg führte. Der Brandanschlag wäre möglicherweise unaufgeklärt geblieben, hätte der Täter nicht knapp einen Monat später erneut einen Angriff auf das Gebäude verübt.

2. Der zweite Angriff auf das Friedhofsgebäude am 8. Juni 2022

Am Morgen des 8. Juni 2022 näherte sich der Mann erneut dem jüdischen Friedhofsgebäude und fing an, dieses mit Steinen zu bewerfen. Dieses Mal konnte ein Zeuge den Täter aufhalten und bis zum Eintreffen der Polizei festhalten. Noch am gleichen Tag wurde in Presseberichten bekannt, dass es sich bei dem Tatverdächtigen um einen 46-jährigen wohnungslosen Mann aus dem Kreis Neuss handelte. Er soll bei seiner Verhaftung einen verwirrten Eindruck gemacht haben. Bei dem Zeugen, der den Tatverdächtigen gestellt hatte, handelte es sich derweil um eben jenen Anwohner, der erst einen Monat zuvor das durch den Brandsatz entstandene Feuer gelöscht hatte.

3. Der Beginn des Gerichtsprozesses

Am 28. November 2022 begann vor dem Kölner Landgericht der Prozess gegen den Tatverdächtigen. Der Prozess vor der Großen Strafkammer wurde auf sechs Verhandlungstage angesetzt. In Bezug auf die dem Tatverdächtigen angelastete „schwere Brandstiftung“ schilderte der zuständige Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn, dass durch den Molotov-Cocktail eine Flamme mit einem Ausmaß von vier Quadratmetern an der Wand des Friedhofsgebäudes entzündet wurde. Mit Blick auf den zweiten Angriff wurde hingegen bekannt, dass sich der damals vor Ort festgenommene Täter kurz vorher noch am Gleisbett der Straßenbahn an der Venloer-Straße mit Steinen den Rucksack befüllt hatte, ehe er mit eben diesen Steinen das Gebäude der Synagogen-Gemeinde bewarf. Der Kölner Stadt-Anzeiger berichtete am Folgetag, der Tatverdächtige leide an einer Form der Schizophrenie, weshalb ihm keine Gefängnisstrafe, sondern die „dauerhafte Unterbringung in der forensischen Psychiatrie“ drohe. Tatsächlich wurde der Beschuldigte schon vor dem Prozess, etwa einen Monat nach seiner Verhaftung, im Rahmen eines richterlich ausgestellten Unterbringungsbefehls in eine Fachklinik für Psychiatrie eingewiesen. Die Verteidigerin des Angeklagten gab zu Beginn des Prozesses an, dass ihr Mandant zwar vor Gericht aussagen wolle, dies aufgrund der anstrengenden Wartezeit im Justizgewahrsam aber erst am nächsten Verhandlungstag geschehen solle.

Schild am Eingang des Kölner Landgericht. © Fachstelle [m²]

4. Die Aussage des „Hauptzeugen“

Der zweite Verhandlungstag am 30. November 2022 war geprägt von der umfangreichen Aussage des Hauptzeugen., die nachfolgend sinngemäß nach Gedächtnisprotokoll widergegeben wird. Die Zeugenaussage wurde durch eine Simultanübersetzung ins Deutsche übertragen.

„Am besagten Abend ging ich mit meinen Kindern am Jüdischen Friedhof spazieren. Dann sah ich einen Mann auf uns zu laufen, er ging den Weg zum Friedhofsgebäude entlang, bei dem es sich um eine Sackgasse handelt. Da es öfter passiert, dass Besucher in diese Sackgasse laufen, habe ich ihn angesprochen und auf Deutsch gesagt: „Kein Eingang!“. Er hat mich daraufhin „nachgeäfft“ („Kein Eingang, Kein Eingang“) und ist dann einfach weitergegangen. Einige Minuten später sah ich eine schwarze Rauchwolke vom Friedhofsgebäude hochsteigen. Ich rannte dorthin und schon kam mir wieder der gleiche Mann entgegen. Ich ging jedoch schnell weiter zur brennenden Außenwand des Gebäudes. Ich erinnere mich an einen starken Benzin-Geruch vor Ort. Auch ein nahegelegener Busch drohte Feuer zu fangen. Ich drehte mich zum Täter um und fragte ihn auf Deutsch „Was machst du?!“. Daraufhin begann der Täter sehr schnell auf Deutsch auf mich einzureden, ich verstand leider nur wenige Wortfetzen. Jedenfalls habe ich sicher die Worte „George Bush“, „Biden“ und „jüdisch“ gehört. Ich bin dann zu meinen Kindern gelaufen und habe deren Wasserpistolen genommen, um das Feuer an der Wand zu löschen. Zum Glück hatten wir auch einen ganzen Eimer Wasser dabei, um die Wasserpistolen der Kinder den Tag über neu befüllen zu können. Dem Täter, der weiterhin anwesend war, habe ich gesagt, dass ich nun die Polizei rufen werde. Daraufhin hat er mich erneut nachgeäfft („Polizei, Polizei“). Ich bin dann wieder zum Brandort gegangen, da es noch an einem Busch direkt neben der Fassade leicht brannte. Meine Frau hat währenddessen beobachtet, wie der Täter weggelaufen ist. Wir haben die Polizei und den Sicherheitsdienst der Synagogen-Gemeinde verständigt.

Anfang Juni ist der Mann dann wieder gekommen und hat Steine gegen die Fassade des gleichen Gebäudes geworfen. Zunächst war mir eine verdächtige Person am Parkplatz neben dem Friedhof aufgefallen. Er näherte sich dem Gebäude und hatte mehrere Steine in den Händen, 3 bis 4 pro Hand. Ich konnte die Person ganz klar als die vom ersten Vorfall identifizieren. Nachdem ich die Steine in seinen Händen gesehen hatte, versuchte ich ihn daran zu hindern, dass er weitere Steine wirft. Im Friedhofsgebäude waren ja Menschen, und meine Kinder und ich waren ihm ja auch sehr nah. Ich fragte ihn laut, ob er der Täter vom ersten Vorfall war, jedoch auf meiner Muttersprache, weil ich sehr aufgeregt war. Mit Gestik habe ich dann versucht ihm klarzumachen, er solle die Steine auf den Boden fallen lassen. Mein Kind gab mir dann den Hinweis, wie ich es auf Deutsch sagen könnte: „Stein weg!“. Darauf hat er aber auch nicht reagiert. Dann gab es einen physischen Kontakt zwischen uns. Ich wollte ihn dazu bringen, die Steine fallen zu lassen. Außerdem wollte ich ein Foto von ihm machen, um es der Polizei zu zeigen. Er versuchte mich daran zu hindern, packte mich an den Armen und wollte mir mein Handy entreißen. Ich setzte mich zur Wehr, woraufhin er sich „ergab“. Es waren mittlerweile viele Menschen dazugekommen, die alles passiv beobachteten. Ich hatte jedenfalls das Problem, dass ich wegen eines Termins nur noch wenig Zeit hatte. Deshalb habe ich die anwesenden Leute gebeten, den Täter bis zum Eintreffen der Polizei festzuhalten. Nach kurzer Zeit war ich wieder vor Ort und die Polizei war auch schon da.“

Auf die Frage, welchen Eindruck der Täter generell auf den Zeugen während der beiden Taten gemacht hatte, schilderte der Zeuge, dass der Täter zwar auf dessen Worte reagierte, aber dennoch einen verwirrten Eindruck machte. So war der Täter bei seiner Festnahme ungewöhnlich warm angezogen – er trug u.a. gepolsterte Handschuhe, und das Anfang Juni. Was der Zeuge sich außerdem nicht erklären konnte, ist die Tatsache, dass der Täter, wenn er es gewollt hätte, durchaus größeren Schaden hätte anrichten können. Aufgrund der großen und gut sichtbaren Davidsterne am Jüdischen Friedhof, geht der Zeuge davon aus, dass der Täter genau wusste, wo er sich befand und sich diesen Ort gezielt ausgesucht hat.

5. Der weitere Prozessverlauf

Am dritten Verhandlungstag, dem 6. Dezember 2022, äußerte sich der Beschuldigte erstmals selbst zu den Vorwürfen. Da der Angeklagte hierbei auf die eigene Erkrankungsgeschichte eingehen wollte, wurde dessen Stellungnahme vor Gericht unter Ausschluss der Öffentlichkeit angehört. Nach einem vierten Verhandlungstag am 15. Dezember war für den 19. Dezember eigentlich die Urteilsverkündung geplant, die jedoch krankheitsbedingt ausfiel. Der darauffolgende Verhandlungstermin vom 2. Januar 2023 fiel vergleichsweise kurz aus, da lediglich die Akte verlesen wurde. Dabei kamen auch die von verschiedenen (Polizei-)Behörden verfassten Gutachten zur Sprache: Etwa der „Branduntersuchungsbericht“, in dem bestätigt wird, dass sich nach dem Wurf des Brandsatzes zwar kein selbstständiger Brand entwickelte, dies jedoch durchaus hätte geschehen können und eher auf glückliche Umstände zurückzuführen sei.

Am fünften Verhandlungstag, dem 9. Januar, wurde als Zeugin zunächst die Ehefrau des Hauptzeugen vernommen, die bei der ersten Tat ebenfalls anwesend war. Auf die Frage, welche Auswirkungen das Erlebte auf sie und ihre Kinder hatte, antwortete die Zeugin:

„Also die Kinder hatten noch für einige Zeit Angst. Häufig fragten sie mich: ‚Wird so etwas nochmal passieren?‘. Sie fragten circa eine Woche lang, danach haben sie es vielleicht vergessen, sie sind ja zum Glück noch klein. Bei mir ist alles gut.“

Daraufhin beschrieben zwei Mitarbeiterinnen einer psychiatrischen Klinik, die den Angeklagten im Rahmen seiner temporären Unterbringung nach seiner Festnahme betreut hatten und somit als „sachverständige Zeuginnen“ geladen wurden, wie sich der Angeklagte während seines Aufenthaltes verhielt. Die Diagnose „paranoide Schizophrenie“ wurde dabei bestätigt: Der Angeklagte leide unter „Stimmen im Kopf“, wobei es sich jedoch nicht um „handlungsorientierte Stimmen“ (die ihn auffordern, etwas Bestimmtes zu tun), sondern vielmehr um „kommentierende Stimmen“ handeln würde.

Eine der beiden Klinik-Mitarbeiterinnen soll der Angeklagte gesagt haben, dass die Stimmen ihn nicht weiter stören würden, da er es nicht anders kenne; manchmal sei er sich jedoch unsicher, inwiefern tatsächlich ein Krankheitsbild vorliegt oder ob es sich nicht vielmehr um „normale innere Selbstgespräche“ handelt. An dieser Stelle unterschieden sich die Aussagen der beiden Sachverständigen: Denn laut der anderen Zeugin könne man dem Angeklagten durchaus

Eine Statue der „Justitia“ im Landgericht Köln. © Fachstelle [m²]

eine vollständige „Krankheitseinsicht“ bescheinigen. Beispiele für „kommentierende Stimmen“ konnte der Angeklagten den Klinik-Mitarbeiterinnen damals nicht nennen. Ebenfalls zur Sprache kam die schwierige, von sozialem Abstieg und langjähriger Obdachlosigkeit geprägte Lebensgeschichte des Angeklagten. Auf die Frage, ob sich der Angeklagte während seines Klinik-Aufenthaltes zur Tat selbst geäußert habe, berichtete eine Zeugin, der Angeklagte habe zu keinem Zeitpunkt die Tat geleugnet; allerdings habe er gesagt, dass es „nicht seine Intention“ gewesen sei, ein jüdisches Gebäude anzugreifen. Er sehe den Brandanschlag „nicht als gezielten Angriff, sondern als fahrlässigen Umgang mit Brandmitteln“ an. Als Kind habe er mal gesehen, wie so ein Molotow-Cocktail gebaut wird und habe dies lediglich nachbauen wollen. Der Täter habe sich zum Tatzeitpunkt „hilflos und traurig“ gefühlt. Wieso ausgerechnet ein Gebäude der jüdischen Gemeinde Ziel seiner Angriffe wurde – und zwar gleich zweimal in nur einem Monat –, konnte auch an diesem Verhandlungstag nicht geklärt werden.

 

6. Die Urteilsverkündung vom 20.01.2023

Am 20. Januar fand schließlich der letzte Prozesstermin, inklusive der Urteilsverkündung statt. Zunächst wurde als weitere sachverständige Zeugin eine Sozialarbeiterin angehört, die den Angeklagten während seiner Unterbringung in einer Klinik nach der Tat betreut hatte. Ihr gegenüber soll der Angeklagte geäußert haben, dass er zum Tatzeitpunk „massiv unter Druck stand“. An antisemitische Äußerungen könne er sich nicht erinnern, sie „entsprechen nicht meinen Einstellungen“. In Bezug auf das Krankheitsbild des Angeklagten konstatiert die Sozialarbeiterin, an seiner „Krankheitseinsicht“ müsse der Angeklagte weiterarbeiten, eine grundlegende Bereitschaft sei aber vorhanden.

Im Anschluss an diese letzte Zeugenaussage wurde der Angeklagte vom vorsitzenden Richter gefragt, ob er sich eine Unterbringung in einer stationären Einrichtung, wie bereits zu einem früheren Zeitpunkt im Prozess angedacht worden war, überhaupt vorstellen könne. Der Angeklagte stimmte dem zu und versprach, auch weiterhin seine Medikation einzuhalten und sich entsprechenden „Spiegelkontrollen“ zu unterziehen.

In seinem Schlussplädoyer unterstrich Staatsanwalt Willuhn, dass die Darstellung des Angeklagten, wonach dieser „ziel- und wahllos“ bei der Tatausführung vorgegangen sei, als „unglaubwürdig“ und durch die vorliegenden Fakten „widerlegt“ anzusehen sei. Da das angegriffene Gebäude der Ausübung religiöser Zwecke dient, sei hier in jedem Fall der Straftatbestand der schweren Brandstiftung zu ahnden, wie im Strafgesetzbuch festgelegt. An dieser Stelle wies Staatsanwalt Willuhn darauf hin, dass es gerade antisemitische Attacken gegen jüdische Einrichtungen in der deutschen Nachkriegszeit waren, die den Gesetzgeber dazu bewegt hatten, Angriffe auf „Gebäude mit religiösen Zwecken“ härter zu bestrafen. Dass der Beschuldigte nicht gewusst haben soll, dass er sich an einem jüdischen Ort befinde, bezeichnete die Staatsanwaltschaft als „aberwitzige Erklärung„. Das Friedhofsgebäude, neben der Synagoge in der Roonstraße das größte Gebäude der jüdischen Gemeinde in Köln, sei mit seiner vielfältigen jüdischen Symbolik (wie Davidsternen, großen hebräischen Inschriften, Informationstafeln, usw.) „unübersehbar“ als jüdischer Ort zu erkennen. Die Staatsanwaltschaft stellte klar, dass es sich „ganz sicher um eine antisemitische Tat“ gehandelt habe, zumal der Beschuldigte direkt nach Ausführung der Tat in seinem Redeschwall auch die Worte „jüdisch“, „Joe Biden“ und „Georg Bush“ verwendete, wie vom Zeugen G. ausgesagt worden war. Dazu führte die Staatsanwaltschaft aus:

„Wer sich nur minimal mit Antisemitismus beschäftigt, weiß, dass die Vorstellung einer jüdischen Weltverschwörung, die sich über die angebliche Kontrolle über das amerikanische Finanzsystem manifestiert, ein absolut klassisches Narrativ im Antisemitismus darstellt.“

Häufig seien es gerade Menschen am Rande der Gesellschaft, die Antisemitismus als Ventil für die eigene Unzufriedenheit verwenden. An diesem Punkt des Plädoyers angelangt, zeigte Staatsanwalt Willuhn dem Gericht ein Buch in seinen Händen, und zwar das im Jahr 2020 erschienene Buch „Terror gegen Juden“ des Juristen und Journalisten Ronen Steinke. In die im Buch „nicht enden wollende Auflistung“ antisemitischer Taten in der deutschen Nachkriegszeit „reiht sich auch die Tat, die wir heute verhandeln ein“. Obwohl der materielle Schaden am Friedhofsgebäude letztlich gering ausfiel, müsse insbesondere der Effekt eines solchen „Angriffes auf die Religionsausübung“ auf die jüdische Gemeinschaft berücksichtigt werden.

Die Verteidigerin betonte zu Beginn ihres Plädoyes zunächst, wie schlimm sie es finde, dass „unsere jüdischen Mitbürger sich nicht mehr mit Kippa in die Öffentlichkeit trauen“. Gleichzeitig glaube sie aber nicht, dass ihr Mandant als rechtsextrem einzuordnen sei. In seinem geistigen Zustand sei er sich nicht bewusst gewesen, wo er sich befand. Sie halte es für einen gedanklichen Kurzschluss, aus der Äußerung der Begriffe ‚jüdisch‘ und ‚Joe Biden‘ den Rückschluss zu ziehen, eine antisemitische Haltung sei ursächlich für die Tat. Dass ihr Mandant einen Monat nach der ersten Tat an denselben Ort zurückgekehrt war, müsse als Zeichen seiner Krankheit verstanden werden, alles andere seien Mutmaßungen.

Wie in Gerichtsprozessen üblich, wurde schließlich dem Beschuldigten selbst die Möglichkeit gegeben, ein paar letzte Worte zu sagen. Dabei fasste dieser sich sehr knapp:

„Ja, also Einsicht für das was geschehen ist, ist da. Ich bereue es zutiefst. Ich tue mich schwer, das in Worte zu fassen.“

In der abschließenden Urteilsverkündung ordnete das Gericht als Bewährungsauflage die Unterbringung des Beschuldigten in eine ambulante psychiatrische Klinik an, wofür sich zuvor sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung in ihren Plädoyers ausgesprochen hatten. Wie im Prozess mehrfach zur Sprache kam, gibt es auch in Köln nur wenige Plätze in derartigen Kliniken, die Wartezeiten können durchaus lang sein. Für den Beschuldigten konnte jedoch bereits ein entsprechender Platz in einer als geeignet befundenen spezialisierten Einrichtung reserviert werden. Dieses konkrete Angebot wollte das Gericht nicht verstreichen lassen, sprach aber zugleich zahlreiche Weisungen aus, darunter die Bestellung eines Bewährungshelfers, der Verstöße dem Gericht zu melden hat sowie die Verpflichtung, die fachärztliche Behandlung weiterzuführen, was durch Spiegelkontrollen regelmäßig überprüft werden soll. Über diesen Weg wird auch die Kontrolle über die Einhaltung eines striktren Alkohol- und Betäubungsmittelverbots gewährleistet.

In der eigentlichen Urteilsbegründung rekonstruierte der Richter die Ereignisse nochmals und betonte, dass der Täter in jedem Falle „billigend in Kauf nahm“, das gesamte Friedhofsgebäude in Brand zu setzen, selbst wenn dies nicht seiner Absicht entsprochen habe. Auch der Richter betonte, zu welch „großer Verunsicherung in der jüdischen Gemeinde“ die Tat geführt hatte. Der Richter sah in der Tat die Straftatbestände „versuchte schwere Brandstiftung“, „Sachbeschädigung“ und „Verstoß gegen das Waffengesetzt“ als erfüllt. Außerdem hob er hervor, dass eine durchaus schwere Straftat begangen wurde, dem Beschuldigten jedoch aufgrund seiner psychischen Erkrankung eine „Schuldunfähigkeit“ attestiert werden müsse. Die Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten und seine Hemmschwellen seien zum Tatzeitpunkt infolge der Krankheit aufgehoben gewesen. Aus juristischer Perspektive betrachtet handelte der Täter somit schuldlos.

In Bezug auf den antisemitischen Gehalt der Tat wandte er sich direkt an den Angeklagten, indem er einräumte, zu dessen Wut über die eigenen Lebensumstände hätten sich vermutlich die gängigen antisemitischen Narrative gesellt, die er irgendwo aufgeschnappt habe, „wobei es natürlich auch gesunde Menschen gibt, die an so etwas glauben“. Abschließend hob der Richter würdigend hervor, dass der Angeklagte in den zehn Jahren Obdachlosigkeit und trotz seiner schweren paranoiden Schizophrenie nie strafrechtlich in Erscheinung getreten war.


Beitragsbild: Das Friedhofsgebäude der Synagogen-Gemeinde Köln in Bocklemünd.
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