Am Abend des 7. Oktober 2025, dem zweiten Jahrestag des Massakers der Hamas an der israelischen Zivilbevölkerung, fand auf dem Rudolfplatz in Köln eine Kundgebung unter dem Motto „Kriminell ist der Genozid – nicht der Widerstand“ statt.
Ein Kölner Fotograf, der die Kundgebung am Rudolfplatz aus journalistischem Interesse dokumentierte, wurde dort von einem Teilnehmer der Pro-Palästina-Demonstration angegriffen: Der Täter, ein etwa 20 Jahre alter Mann, beleidigte den Fotografen antisemitisch und schlug ihm anschließend gegen die Schläfen. Der Angriff ist durch ein Video belegt. Der Betroffene erlitt eine Gehirnerschütterung und eine Hüftprellung. Der Angriff wurde von einem Polizeibeamten beobachtet, der sofort Hilfe leistete. Eine Anzeige wegen Körperverletzung und Volksverhetzung wurde erstattet.
Nachfolgend schildert der Betroffene das Erlebte in Form eines Gedächtnisprotokolls.
Gedächtnisprotokoll des Betroffenen
Am 7. Oktober 2025 nahm ich auf dem Roncalli-Platz in Köln an einer Gedenkveranstaltung zum Jahrestag des Massakers der Hamas vom 7. Oktober 2023 teil. Nach einiger Zeit verließ ich die Veranstaltung gemeinsam mit einem Freund und begab mich zum Rudolfplatz, wo zeitgleich eine weitere Versammlung stattfand. Diese stand unter dem Motto „Kriminell ist der Genozid – nicht der Widerstand“. Wir hielten uns dort etwa zwanzig Meter abseits der eigentlichen Kundgebung auf und hörten ungefähr dreißig bis fünfundvierzig Minuten lang einige der Redebeiträge an.
Nach einer Weile kam ein junger Mann, schätzungsweise zwischen zwanzig und zweiundzwanzig Jahre alt, auf uns zu. Er ging zunächst auf meinen Freund zu und sagte in aggressivem Ton: „Du bist so ein Jude.“ Danach äußerte er noch weitere wirre und feindselige Bemerkungen, die ich nicht mehr genau wiedergeben kann. Ich fragte ihn, was er eigentlich für ein Problem mit Juden habe. In diesem Moment wurde er sehr aggressiv, kam mir dicht auf die Pelle und schrie: „Du bist ein Jude! Du bist ein scheiß Mensch!“
Unmittelbar darauf schlug er mir mit beiden Fäusten gleichzeitig gegen beide Schläfen. Ich ging zu Boden und war anschließend benommen oder kurzzeitig bewusstlos. Die nächsten Minuten sind für mich nur verschwommen in Erinnerung. Ein Polizist, der den Angriff beobachtet hatte, kam sofort zu mir und leistete Hilfe. Er sagte mir später, ich sei völlig desorientiert gewesen, hätte nicht gewusst, welcher Tag sei, und insgesamt einen sehr verwirrten Eindruck gemacht. Er rief daraufhin Sanitäter hinzu, die mich direkt vor Ort medizinisch begutachteten. Nach meinem Kenntnisstand war dieser Beamte Zeuge des gesamten Vorfalls und hat den Angriff selbst gesehen.
Durch die Schläge und den Sturz erlitt ich eine Gehirnerschütterung sowie eine schmerzhafte Prellung an der rechten Hüfte, da ich beim Umfallen auf die Seite gefallen war. In den Tagen danach hatte ich anhaltende Kopfschmerzen, Schwindel und Konzentrationsprobleme. Der Angriff hat auch psychisch Spuren hinterlassen. Ich merke seitdem eine stärkere innere Unruhe, bin in Menschenmengen deutlich angespannter.
Ich halte es grundsätzlich für wichtig, solche Veranstaltungen zu beobachten und zu dokumentieren, da sich der Antisemitismus in den letzten Jahren nach meiner Wahrnehmung rasant verbreitet hat – nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Aus meiner Sicht handelt es sich bei solchen Kundgebungen häufig nicht um pro-palästinensische Demonstrationen, sondern um klar anti-israelische Veranstaltungen. Die dort erhobenen Forderungen nach „Gerechtigkeit“ richten sich fast ausschließlich gegen Israel, während die Verbrechen der Hamas und anderer Gruppen regelmäßig verschwiegen oder relativiert werden.
Einordnung der Fachstelle gegen Antisemitismus
„Wo Gewalt gerechtfertigt wird, ist sie meist nicht weit entfernt.“
Der Angriff ereignete sich an einem Datum von besonderer symbolischer Bedeutung: dem Jahrestag des Hamas-Massakers vom 7. Oktober 2023, bei dem in Israel über 1.200 Menschen ermordet wurden. Während auf dem Kölner Roncalli-Platz der Opfer gedacht wurde, fand nur wenige hundert Meter entfernt eine Demonstration statt, deren Motto das Massaker implizit als legitimen „Widerstand“ darstellte.
Dass ausgerechnet im Rahmen einer solchen Kundgebung ein antisemitischer Gewaltausbruch stattfand, ist kein Zufall. Der Vorfall verdeutlicht, wie eng die ideologische Rechtfertigung von Gewalt – etwa durch die Relativierung und Verherrlichung des 7. Oktobers als „Akt des Widerstandes“ – mit der tatsächlichen Begehung antisemitischer Übergriffe verbunden ist.
Zugleich zeigt der Fall, dass israelbezogener Antisemitismus keine abgeschwächte Form des Hasses ist. Wie jede andere Form des Antisemitismus richtet auch dieser sich letztlich gegen Jüdinnen*Juden – oder Menschen, die dafür gehalten werden. Die Dämonisierung Israels und die moralische Rechtfertigung von Gewalt gegen den jüdischen Staat schaffen ein Klima, in dem antisemitische Gewalt im eigenen Land als legitim erscheint und schließlich auch ausgeübt wird. Der oben beschriebene Fall steht somit stellvertretend für eine besorgniserregende Entwicklung bei sogenannten „pro-palästinensischen” Demonstrationen – in Köln und darüber hinaus.
Eine ausführliche Analyse des bundesweiten Kontextes antisemitischer Vorfälle im Umfeld von Demonstrationen findet sich im Kapitel „Free the World from Israel“ – Antisemitismus auf Versammlungen infolge des 7. Oktober 2023 der kürzlich veröffentlichten RIAS-Publikation „Politischer Antisemitismus nach dem 7. Oktober“.